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Schwangere in Berner Asylheimen sollen besser unterstützt werden, fordert eine Studie der Berner Fachhochschule Bild: Thomas Egli

 

In Asylzentren wird auf Schwangere nicht die nötige Rücksicht genommen. Dies zeigt eine Studie der Berner Fachhochschule. Besonders schlecht ist die Betreuung von Schwangeren und jungen Müttern in Asylzentren des Kantons Bern. Die Studie untersuchte die Situation in den Kantonen Bern, Waadt und Tessin. In keinem der untersuchten Kantone könne von einem ausreichenden Verständnis für die besondere Situation geflüchteter Frauen und ihrer Säuglinge ausgegangen werden, schreiben die Autorinnen der Studie. Im Kanton Bern wurden die Kollektivunterkünfte Enggistein, geführt von Asyl Biel und Region (ABR), und Aeschiried, geführt von ORS, sowie die beiden Heilsarmeeunterkünfte in Aarwangen und Ringgenberg untersucht. Beim zuständigen Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern wollte man auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.

 

Fehlende Systematik

In jedem Asylzentrum des Kantons Bern gebe es zwar einen Gesundheitsdienst, schreiben die Autorinnen der Studie. Doch hänge es vor allem vom persönlichen Engagement der Betreuer in den Unterkünften ab, wie gut dieser Dienst für die Schwangeren und Wöchnerinnen sei. «Es hängt von ihnen ab, ob sie die Schwangeren auf die Möglichkeit der Geburtsvorbereitung hinweisen und im Wochenbett Hebammen beiziehen», sagt die Studienleiterin Eva Cignacco. Die Systematik fehle. Gemäss der Studie wird nur in einer Unterkunft grosses Verständnis für die Situation der Frauen aufgebracht.

Die medizinische Grundversorgung sei in der ganzen Schweiz sichergestellt, besagt die Studie. Im Kanton Bern werden die Schwangeren aber oft selbstständig zum Arzt oder ins Spital geschickt. Dabei fänden viele den Weg dorthin nicht oder könnten sich nicht genügend mit dem Arzt verständigen. Die Studienleiterin Eva Cignacco schildert folgendes Beispiel. «Eine Frau kam zwei Wochen nach dem Arzttermin mit einer verschlossenen Medikamentenschachtel zur Betreuerin und fragte, was sie damit tun solle.» Anders als etwa der Kanton Waadt finanziere der Kanton Bern keine Dolmetscherdienste. Die Autorinnen der Studie empfehlen daher vom Kanton finanzierte Übersetzer.

Auch die Betreuungskontinuität der Schwangeren und jungen Mütter müsse verbessert werden, sagt Cignacco. In der Studie stellt sie die Lösung des Kantons Waadt als vorbildlich dar. Dieser hat die Gesundheitsversorgung der Asylsuchenden in Gesundheitszentren organisiert. Diese würden von gut ausgebildeten Pflegepersonen geleitet. Sie seien erste Ansprechpersonen für die Asylsuchenden in Gesundheitsfragen und könnten eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen.

Eine solche ist für geflüchtete Schwangere besonders wichtig. Anja Hurni ist Hebamme und Co-Geschäftsführerin des Vereins Mamamundo. Der Verein bietet in der Stadt Bern Geburtsvorbereitungskurse für Migrantinnen in verschiedenen Sprachen an. Immer wieder nehmen auch asylsuchende Frauen daran teil. Die Frauen hätten ein starkes Bedürfnis nach Austausch und Wissen. «Sie saugen alles auf und wollen das Beste für ihr Kind», erzählt Hurni. Es sei ein falsches Klischee, dass Schwangerschaft und Geburt für Migrantinnen normal sei. «Sie haben viele medizinische Fragen und oft auch Angst.»

Enggistein weist Vorwürfe zurück

Beim Asylzentrum in Enggistein weist man die Vorwürfe der Studie von sich. Die Zentrumsleitung ist sich der besonderen Bedürfnisse von Schwangeren bewusst. «Wir hatten viele Familien bei uns», sagt der stellvertretende Leiter Bülent Zengin. Die Pflegefachperson des Zentrums arbeite eng mit dem Frauenspital, einer Hebamme und einer Elternberaterin der Region zusammen. Erstgebärenden würden vom Zentrum Kurse bei Mamamundo finanziert. Falls Dolmetscher nötig seien, suche man intern jemand, der die Sprache beherrsche. «Wir sind ein multinationales Team.» (Der Bund)

 

Originalveröffentlichung

https://www.derbund.ch/