Trotz vier Freisprüchen lebe ich mit der Drohung, lebenslänglich ins Gefängnis zu kommen. Mein Prozess spiegelt die Kontinuität des autoritären Regimes in der Türkei wider.
Pinar Selek
Inakzeptable juristische Verfolgung von Pinar Selek
Eine neue Anhörung ist für den 29. September 2023 angesetzt. Während der internationale Haftbefehl und der Antrag auf sofortige Inhaftierung aufrechterhalten werden, verlangt die türkische Justiz, dass Pinar Selek diesen Herbst persönlich nach Istanbul reist, um dort auszusagen... Frankreich und Europa müssen gegen diesen inakzeptablen Vorschlag reagieren. Pinar Selek muss die Möglichkeit haben, ihre Aussage zu machen, ohne Frankreich zu verlassen. Es geht um ihre Sicherheit und ihr Leben.
1998 war Pinar Selek mehr als zwei Jahre lang inhaftiert und gefoltert worden, weil sie sich weigerte, die Namen der Kurden anzugeben, die sie im Rahmen ihrer soziologischen Forschungen befragt hatte. Die türkischen Behörden entschieden daraufhin, sie zu einer "Terroristin" zu machen, indem sie behaupteten, die Explosion auf dem Gewürzmarkt (ein Unfall) sei ein terroristischer Akt für den sie verantwortlich gewesen sei.
Im Dezember 2000 wurde Pinar Selek (aus Mangel an Beweisen) freigelassen. Sie beschloss, das Land zu verlassen und ging nach Berlin und später nach Frankreich, um ihre soziologischen Forschungen fortzusetzen, zunächst in Straßburg, dann in Nizza. Sie erhielt 2017 die französische Staatsbürgerschaft.
In der Türkei legte der Generalstaatsanwalt systematisch Berufung gegen die vier Freisprüche ein. Das Strafgericht verhängte in den Jahren 2006, 2008, 2011 und 2014 Freisprüche. Sieben Jahre später hob der Oberste Gerichtshof der Türkei am 21. Juni 2022 den vierten Freispruch auf. Im Januar 2023 wurde ein internationaler Haftbefehl gegen Pinar Selek ausgestellt, mit der Aufforderung, sie sofort inhaftieren zu lassen.
Am 31. März 2023 fand eine Anhörung statt. Rund 100 Abgeordnete, gewählte Vertreter, RechtsanwältInnen, AkademikerInnen, LeiterInnen von Menschenrechtsorganisationen, feministische Aktivisten, KünstlerInnen und JournalistInnen aus Frankreich, der Schweiz, Belgien, Deutschland und Norwegen wohnten dem Prozess gegen Pinar Selek ohne ihre Anwesenheit bei. Sie wollten ihre Solidarität und Empörung über die politische und juristische Verfolgung von Pinar Selek durch die türkischen Behörden zum Ausdruck bringen.
Die Anwesenheit dieser großen Delegation, die von zahlreichen Vereinen und Verbänden* unterstützt wurde, war ein Zeichen der Solidarität, und verhinderte das Schlimmste. Pinar Selek ist jedoch nicht aus dem Schneider. Weit gefehlt. Derzeit wird sie von den Grauen Wölfen, die ungestraft in Frankreich leben, hemmungslos bedroht. Ihr Leben ist in Gefahr.
Die politisch-juristische Hetze gegen Pinar Selek findet in einem Kontext statt, in dem die Freiheitsrechte eingeschränkt werden und die Gewalt gegen alle Minderheiten und politischen Gegner zunimmt. Die Demokraten in Frankreich und Europa müssen gegen diese schwerwiegenden Bedrohungen vorgehen, die über die Person Pinar Seleks hinaus alle unsere demokratischen Freiheiten, insbesondere die Freiheit der Forschung und der Meinungsäußerung, betreffen.
* Die Städte Nizza, Marseille und Paris. Amnesty International
Die Liga für Menschenrechte
Der Internationale Pen Club (Duygu Asena-Preis)
Das Parlament der frankophonen Schriftstellerinnen
Der nationale Verband Solidarité Femmes
Die Allianz der Frauen für Demokratie (Alliance des femmes pour la démocratie)
Les éditions des femmes-Antoinette Fouque (Verlag der Frauen-Antoinette Fouque)
Der französische Verband für Soziologie
Der Verband der im Hochschulbereich lehrenden Soziologen (Association des sociologues enseignant-e-s du supérieur)
Die Acort
Die Marche mondiale des Femmes