Mit Papierdrachen gegen die Mauern Europas

Hunderte von Papierdrachen am Himmel von Nizza und über dem Mittelmeer!

Am kommenden 5. Juni werden europäische Feministinnen mit einer feierlichen und spektakulären Aktion gegen die restriktive Migrationspolitik auf dem Kontinent protestieren - von der Frauen und LGBTIQ+ Menschen noch stärker betroffen sind als Männer. Zehntausend Menschen werden im Stadtzentrum der Stadt nahe der italienischen Grenze erwartet, um "ein Europa ohne Mauern" zu fordern, was die Veranstaltung zu einer der größten Demonstrationen in Frankreich seit Beginn der Pandemie machen würde.

Diese Aktion war 2019 in Genf während des vom Weltfrauenmarsch organisierten europäischen Feministentreffens "Women migrations, refuges" beschlossen worden. Geplant für 2020, war es wegen Covid-19 verschoben worden. Seitdem hat sich eine breite Koalition von feministischen Organisationen zu diesem Zweck gebildet. "Die europäische Politik, die die Migration kriminalisiert, verursacht unermessliches Leid, angefangen bei den Tausenden von Toten im Mittelmeer, das zu einem riesigen Friedhof geworden ist", erklärt Pinar Selek, Mitorganisatorin der Veranstaltung, Soziologin und Koordinatorin des Observatoriums für Migration der Region Alpes-Maritimes. "Obwohl Frauen mehr als die Hälfte aller Migranten ausmachen, sind sie oft 'unsichtbar'. Doch sie sind noch verletzlicher, werden während ihrer Migrationsreisen über Tausende von Kilometern Opfer von Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und Zwangsprostitution".

Die Unmöglichkeit, legal in Exil zu gehen, verhindere zwar nicht die Migration, betonen die Aktivisten Es führe aber zur Bildung von Mafia-Netzwerken, die besonders gewalttätig gegenüber Frauen und anderen verletzlichen sozialen Gruppen seien. „Wenn man am unteren Ende der sozialen Leiter steht, ist man bestimmten Formen von Gewalt stärker ausgesetzt", so Pinar Selek weiter. „Wenn sie dann in Europa ankommen, sind Frauen und LGBTIQ+, die sich in "No-Go-Zonen" befinden, erneut allen Arten von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung in der informellen Wirtschaft ausgesetzt. An der Côte d'Azur bekommen manche Hausangestellte nur 10 Euro pro Tag.“

Für feministische Aktivistinnen geht es darum, diese Situation der gesamten Bevölkerung sichtbar zu machen, aber auch darum, "eine gemeinsame feministische und antimilitaristische Stimme" zu diesem Thema aufzubauen. „Bis jetzt gab es in den feministischen Bewegungen keinen gemeinsamen Diskurs und keine gemeinsamen Forderungen zum Thema Migration", sagt Pinar Selek. „Die Demonstration am 5. Juni, als erste, grenzüberschreitende feministische Aktion zu diesem Thema, wird in Zukunft noch viel weiter gehen.“ Es wird eine Petition vorbereitet, die die Europäische Kommission und die National-Regierungen des Schenraumes ansprechen soll.

Aber die Koalition muss noch wachsen, sagt Marianne Ebel, eine Schweizer Aktivistin des Weltfrauenmarsches, die sich seit 20 Jahren mit Migration auseinandersetzt und Mitglied der Gruppe „Bleiberecht für Neuenburg“ ist. "Wir wollen nicht einfach eine weitere Petition, die folgenlos bleibt. Nizza muss zum Sprungbrett für eine breite Allianz werden, die in der Lage ist, die Blockierung aufzuheben. Zum Beispiel wird es darum gehen, die Staaten dazu zu bringen, das Recht auf Schutz zu garantieren, indem sie systematisch die speziellen Asylgründe anerkennen, die Frauen, Mädchen und LGBTQI+ Menschen haben", sagte sie.

In der Zwischenzeit wird in ganz Europa der 5. Juni vorbereitet. Drachenbau-Workshops und das Komponieren von Liedern und Tänzen sind im Gange, die eine ebenso politische wie kulturelle und auch poetische Demonstration auf die Bühne Europas bringen werden: "Als eine Frau im Exil bin ich selbst einer der Papierdrachen ", schreibt Pinar Selek, eine gebürtige Türkin. „Eine Frau ohne Grenzen, doch zerbrechlich. Ich brauche Solidarität. Um fliegen zu können. Um mit den Winden tanzen zu können!“

CHRISTOPHE KOESSLER

 

Auf französisch , Artikel erschienen in Le Courrier., uebersetzt von Susy Greuter

1 Versammlung um 11 Uhr Place Massena, gefolgt von feministischen Chören um 13 Uhr und der Demonstration um 13:30 Uhr, die am Place Garibaldi enden wird. Treffpunkte sind ab 17:30 Uhr geplant. Mehr Informationen auf der Website: www.toutesauxfrontieresfr.wordpress.com